Wartet man den ersten Arbeitstag eines neuen Talents ab, um ihn oder sie an Bord zu holen, dann ist man schon im Verzug.
Steile These? Vielleicht, aber leider wahr.
Deshalb reicht es heutzutage nicht mehr aus, nur über Onboarding zu sprechen. Man muss noch einen Schritt zurückgehen und den Blick auf die Phase davor richten. Das heißt, auf das sogenannte Preboarding, also auf die Zeit zwischen der Annahme des Jobangebots durch den Kandidaten oder die Kandidatin und den tatsächlichen Eintritt ins Unternehmen.
Eine unsichere Zwischenphase, in der es immer häufiger passiert, dass das neue Talent ein anderes Angebot annimmt und dann gar nicht zum ersten Arbeitstag erscheint, sich also sozusagen verdünnisiert.
Und zwar oft auf seine Kosten, wie HR nur allzu gut weiß.
In den folgenden Abschnitten erläutern wir das Preboarding, geben praktische Tipps zur Erstellung einer wirklich effektiven Strategie und zeigen die Unterschiede zum Onboarding auf.
Beginnen wir mit einer Definition: Wie schon gesagt, ist das Preboarding die Phase, die zwischen der offiziellen Unterschrift der Kandidatin oder des Kandidaten unter den Vertrag und dem ersten Arbeitstag liegt.
„Onboarding“ bedeutet wörtlich „an Bord gehen“ und bezeichnet das Verfahren, mit dem neu eingestellte Mitarbeiter:innen ins Unternehmen eingeführt werden. „Preboarding“ wiederum ist die Phase vor der „Einschiffung“.
Es geht also um die Zeit direkt vor der Abreise, wenn die Koffer gepackt sind, der Reisepass bereit liegt und man nur darauf wartet, an Bord zu gehen.
Aber Achtung: Das ist ein ziemlich heikler Moment.
Reisen sind aufregend, wie wir wissen, können aber auch große Angst machen.
Man bedenke also, dass der oder die Reisende beschließen kann, last minute das Ziel zu wechseln. Oder weniger bildlich gesprochen: Kandidat:innen beschließen, doch ein anderes Jobangebot anzunehmen und direkt nach Vertragsunterschrift einfach zu verschwinden.
In der Phase des Preboarding lauert also eine Bedrohung: das schreckliche Ich-entscheide-mich-spontan-um-Phänomen.
Umgangssprachlich nennt man das auch „Ghosting“: Wie Statistiken zeigen ist das Phänomen schon länger verbreitet und 1 von 5 Kandidat:innen, die den Job angenommen haben, erscheint erst gar nicht zum ersten Arbeitstag.
Immer häufiger haben Kandidat:innen mehr als ein Angebot, mehr als eine Möglichkeit und entscheiden sich daher in letzter Sekunde um, indem sie den schon unterzeichneten Vertrag „verraten“, um bei einem anderen „appetitlicheren“ Unternehmen einen neuen zu unterschreiben.
Der Grund dafür ist schnell genannt.
Zu diesem Zeitpunkt sind die Kandidat:innen noch nicht wirklich beteiligt, fühlen sich zwischen der Unterschrift und dem ersten Arbeitstag quasi „alleingelassen“, und das führt dazu, dass sie sich bei der erstbesten Gelegenheit auf zu neuen Ufern machen.
Das heißt, exakt zu diesem Zeitpunkt steht für das Unternehmen der Verlust eines Talents auf dem Spiel, das man aber doch gerne haben möchte. Und exakt zu diesem Zeitpunkt kann eine Reihe von Aktivitäten nützlich sein, damit genau das nicht passiert.
Aus diesem Grund ist es unerlässlich, dem Preboarding dieselbe Bedeutung beizumessen wie dem Onboarding, wenn nicht sogar eine größere.
Aber welche konkreten Schritte kann man denn nun unternehmen, um ein wirkungsvolles Preboarding zu gestalten und als Sieger aus dieser ungewissen Lage hervorzugehen?
Schauen wir uns das im Detail an.
Wie so häufig zahlt sich Einfachheit auch in diesem Fall aus.
Während die Strategie des Onboarding klar strukturiert sein muss, man die neue Ressource über einen ausreichend langen Zeitraum hinweg einbeziehen muss, damit sie nach und nach, aber sehr zielgerichtet und wirksam ins Unternehmen eingeführt wird, ist das Preboarding eine Phase, in der es eine gewisse Leichtigkeit braucht.
Hier muss man energisch und mitreißend sein, das ja, aber ohne Druck auf den Neuen oder die Neue auszuüben.
Giada Campi, People and Cultural Specialist bei Reverse, erklärt das.
„In dieser Phase ist es nicht gut, sich dem Leben der oder des Neuen zu sehr aufzudrängen. Wir müssen engagiert sein, aber das richtig Maß halten.
Gut ist es, sich gezielt kleine Häppchen auszudenken, die für die neu eingestellte Person leicht zu verdauen sind.
Die drei zentralen Elemente des Preboarding fassen gut zusammen, was zu tun ist, warum und wie:
Eine immer sehr gut funktionierende Aktion besteht darin, ein Treffen zum Kennenlernen des zukünftigen Teams zu organisieren. Egal ob per Videocall oder vor Ort: Lernt man die Mitglieder des eigenen Teams noch vor dem Eintritt ins Unternehmen kennen und spricht mit ihnen, dann ist das überaus motivierend.
Man sollte auch bedenken, dass viele Leute eine Pause haben, bevor sie eine neue Stelle antreten, ein paar freie Tage, die sie durchaus gerne nutzen, um die zukünftige Arbeitsumgebung näher kennenzulernen.
Man kann sie in dieser Phase also gut ins Unternehmen einladen, um einen Rundgang durch die Räumlichkeiten zu machen, wenn sie die beim Vorstellungsgespräch noch nicht gesehen haben, und zusammen mit den zukünftigen Kolleg:innen einen Kaffee zu trinken.
Weitere einfache, aber wirkungsvolle Tipps, was man machen kann?
Dem oder der Neuen in den Tagen vor Jobantritt eine Willkommens-E-Mail mit einem Bild vom Team schicken. So fühlt er oder sie sich gleich als Teil der Gruppe und kann sich besser vorstellen, ein wichtiger Part des Teams auf dem Foto zu sein.
Man kann den Neuen verschiedenstes Material schicken:
- Mini-Videos, in denen die Projekte und der Alltag im Unternehmen vorgestellt werden. So wird die neue Ressource effektiv willkommen geheißen und kann sich bereits in das Umfeld hineinversetzen, in dem sie nach Jobantritt wirken wird;
- das Infoblatt zur Unternehmenskultur, ein Dokument, das wir von HR für grundlegend halten, weil es die Werte des Unternehmens aufzeigt, deren konkrete Bedeutung und ihre Umsetzung Schritt für Schritt erläutert;
- weiteres Infomaterial und Artikel aus dem Unternehmensblog (wenn es einen gibt), die nützlich und motivierend sein können, weil sie persönlich und beruflich wertvolle Inhalte bieten.
Damit die Person sich noch mehr einbezogen und schon als Teil des unternehmerischen Ökosystems fühlt, kann man außerdem Tools verwenden, um vor Jobantritt Informationen über den oder die Kandat:in zu sammeln, die dann am ersten Arbeitstag im Unternehmen geteilt werden.
Es geht dabei um nette Infos, um Fragen, die man den Neuen stellt, um sie besser kennenzulernen und auf die sie antworten, indem sie natürlich nur das aufschreiben, was sie mit den neuen Kolleg:innen teilen möchten.
So fühlen sie sich gedanklich bereits in den ersten Arbeitstag im neuen Büro hineinversetzt.
Vermittelt man der neuen Ressource die Bedeutung der Rolle, die sie im Unternehmen übernehmen wird, und stellt man ihr vorab alle notwendigen Informationen zur Verfügung, sodass sie direkt richtig loslegen kann und über das notwendige Wissen verfügt, ist damit sicherlich ein großer Schritt getan, damit sie sich willkommen, gebraucht und wirklich motiviert fühlt, ihr Bestes zu geben.
Ganz allgemein gesagt besteht unsere Aufgabe darin, an der Seite der neu eingestellten Person zu sein. Man versucht einerseits, den Stress und die Unsicherheit, die ein neuer Job verursachen kann, zu begrenzen, und andererseits, die Begeisterung, die eine Veränderung häufig mit sich bringt, bestmöglich zu kanalisieren.“
Dass Preboarding allgemeine Praxis sein sollte (und in vielen Fällen ist es das ja bereits) bestätigen nicht zuletzt die Vorteile, die dieser Prozess sowohl für die Unternehmen als auch für die Personen mit sich bringt.
Allgemein gesprochen kann man eine gute Preboarding-Strategie übersetzen in:
Eine Person, die bereits einbezogen ist, wird bereit sein, sich aktiv und konstruktiv an den Onboarding-Aktivitäten zu beteiligen, die sie in den ersten Wochen und Monaten im neuen Unternehmen erwarten.
Das alles führt zu einer dauerhaften und spürbaren Verbesserung des Employee Engagement, was wiederum zu einer langfristigen Verbesserung der Unternehmens-Ergebnisse führt.
Dieser Forbes-Artikel erläutert das gut und definiert das Employee Engagement nicht so sehr über das Glück oder die Zufriedenheit (wobei beides wichtige Emotionen sind, auch im Arbeitskontext), sondern als emotionale Verpflichtung, die ein:e Mitarbeiter:in gegenüber dem Unternehmen und seinen Zielen empfindet.
Also eine Verpflichtung der neue Ressource dem Unternehmen gegenüber, das sie eingestellt hat, und zwar vor dem ersten Arbeitstag und dann auch in der darauffolgenden Zeit.
Beenden wir diese Überlegungen mit einem kleinen Vergleich.
Was sind also die Hauptaspekte, die Onboarding und Preboarding ausmachen und voneinander unterscheiden?
Das Preboarding ist also praktisch der Anstoß zum Onboarding.
Wir hoffen, dass Sie damit paar konkrete Tipps bekommen haben, damit Sie die Partie mit Ihren neuen Talenten unter den besten Vorzeichen spielen können.